„Jobwechsel während der Corona-Krise? „Jein“ aber auch „Achtung“!“

Geschrieben von Tanja Huhnold, HR Consultant bei promotus Seffner Oberschelp GbR

Seit Mitte März 2020, also knapp einem Jahr, befindet sich Deutschland im Zuge der Corona-Krise in einem Ausnahmezustand. Dies ist in vielen Bereichen, aber vor allem auf dem Arbeitsmarkt spürbar. Tausende von Arbeitnehmern wurden im Frühjahr 2020 – der ersten Pandemie-Welle – in die Kurzarbeit geschickt und die Bundesregierung gibt nach wie vor Milliarden an Hilfsgeldern für in Not geratene Unternehmen aus. Aus diesem Grund stellen sich viele Arbeitnehmer derzeit die Frage, ob ein Jobwechsel zum jetzigen Zeitpunkt – also während der zweiten oder gar dritten Welle der Pandemie – eine schlaue Idee ist. Eine Kündigung auszusprechen, ohne bereits einen neuen Job in der Tasche zu haben, kann derzeit nämlich gefährlich werden. Die Unternehmen stellen deutlich weniger ein und auch die Konkurrenz schläft nicht, nein sie hat sich aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit sogar erhöht!

In unserem Artikel haben wir uns die Frage gestellt, wie stark der Wunsch zum Jobwechsel aktuell ausgeprägt ist, für wen dieser generell sinnvoll ist, wie der Arbeitgeber den Jobwechsel eventuell verhindern kann und welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt hat. Eins vorweg, für Unternehmen sprechen wir ein deutliches „Achtung! Ihr müsst euch anpassen“ aus, bezüglich des Jobwechsels beim Arbeitnehmer  sollte differenziert werden.

Der „Jobwechsel-Kompass“ ist eine seit Juli 2020 neuinitiierte Befragung, bei der alle drei Monate die Wechselbereitschaft deutscher Arbeitnehmer in Krisenzeiten analysiert wird. Durchgeführt wird die Befragung von der Königsteiner Gruppe in Zusammenarbeit mit der Online-Jobbörse Stellenanzeigen.de. Für die Analyse wurden in der ersten Juli-Hälfte letzten Jahres 500 Arbeitnehmer zu ihren beruflichen Zukunftsaussichten befragt. Das Ergebnis zeigt, dass mehr als 40 Prozent der Deutschen ihre persönlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt trotz Corona-Krise als gut einschätzen. 57 Prozent der Frauen gaben an, dass ihr Antrieb, sich beruflich zu verändern, besonders ausgeprägt sei. Jedoch rechneten sich davon nur 32 Prozent gute Chancen aus, während fast jeder zweite Mann seine Erfolgsaussichten positiv einschätzt.

Diese positive Stimmung auf dem Arbeitsmarkt überrascht. Denn das bedeutet, dass die Deutschen auch in der Krise auf der Suche nach einer neuen Herausforderung sind. Und dass, obwohl sie grundsätzlich mit ihrem derzeitigen Arbeitgeber zufrieden sind. Laut „Jobwechsel-Kompass“ sind nur 17 Prozent der Befragten zurzeit sehr unzufrieden mit ihrem aktuellen Unternehmen. 29 Prozent sind dagegen eher zufrieden und weitere 17 Prozent sind sehr zufrieden mit ihrem Arbeitgeber.

„Diese Kombination aus Zufriedenheit mit dem aktuellen Arbeitgeber sowie der durchaus vorhandenen Bereitschaft zum Jobwechsel ist ein klares Anzeichen dafür, dass ein Großteil der Deutschen auch in Corona- Zeiten selbstbewusst nach vorne schauen und sich beruflich weiterentwickeln möchten“, sagt Peter Langbauer, Geschäftsführer von Stellenanzeigen.de. [1]

Doch für wen ist der Jobwechsel nun sinnvoll und was bedeutet das für den Arbeitnehmer?

Sinnvoll ist ein Jobwechsel natürlich für all die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze direkt von der Krise betroffen sind. Also diejenigen, die in Kurzarbeit geschickt wurden bzw. die bereits gekündigt worden sind. Das betrifft vor allem die Arbeitsplätze aus der Tourismus-, Gastronomie-, Freizeit-, und Kulturbranche – also die Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber seit Monaten leere Auftragsbücher haben und in naher bzw. mittelfristiger Zukunft vorrausichtlich nicht wieder das Auftragsniveau wie vor der Krise erreichen werden. Doch bedeutet das für die Fachkräfte gleich eine Umschulung? Sicherlich nicht, denn die Krise wird hoffentlich irgendwann ein Ende haben – aber der Blick über den Tellerrand hinaus – also in andere Branchen wäre zu mindestens eine Option.

Dahingegen sollten Arbeitnehmer, die in wirtschaftlich stabilen, von der Krise unabhängigen oder sogar von der Corona-Krise profitierenden Unternehmen beschäftigt sind, sich gut überlegen, ob sie zum jetzigen Zeitpunkt den Job wechseln wollen oder ob es nicht klug wäre die Entwicklungen der nächsten Monate erstmal abzuwarten. Wechselwillige sollten ganz genau zwischen den Vor- und Nachteilen der Arbeitsplatzsicherheit und dem Risiko eines neuen Arbeitsverhältnisses abwiegen und prüfen, ob sie sich konditionell verbessern können.

Außer Frage steht jedoch, dass jetzt der ideale Zeitpunkt für einen Jobwechsel in den sogenannten „systemrelevanten Berufen“ ist. Dazu gehören vor allem Unternehmen aus folgenden Branchen: Lebensmittelhandel, Energieversorgung, öffentlicher Dienst, das Medizin- und Pharmaumfeld, Teile der Chemiebranche und im Prinzip alles, was mit dem Thema Digitalisierung zusammen hängt.[2] Der Fachkräftemangel – vor allem in den medizinischen und pflegenden Berufen ist durch die Krise in den vergangenen Monaten deutlich geworden. Die Möglichkeiten für wechselmotivierte Arbeitnehmer stehen hoch. Arbeitnehmer, können die Chance nutzen sich am Arbeitsmarkt neu zu positionieren, sich ihren Wunscharbeitgeber auszusuchen und ggfls. zusätzliche „Anreize“ (in Form von Homeoffice, monetärere Anreize, Weiterbildung, etc.) einzufordern.

Das bedeutet, der Arbeitgeber steht in der Bredouille, seinen Arbeitnehmern etwas bieten zu müssen. So könnte vermieden werden, dass sich die guten Mitarbeiter wegbewerben. Im Rahmen einer Studie von sales-perfect.de aus dem Juni 2020 wurden 186 Personen zu den zusätzlichen Anreizen bei einem Jobwechsel befragt. Dabei sollten die Teilnehmer, die für Sie am wichtigsten Anreize für einen Jobwechsel aus den Kategorien Monetär, Sicherheit, Flexibilität und Nützliches wählen. Das Ergebnis zeigt: Der Wunsch nach Homeoffice steht auf der Liste mit Abstand ganz weit oben. Zusätzliche Gehaltsbestandteile rangieren auf Platz 2, dicht gefolgt von der flexiblen Arbeitszeitregelung. Der Wunsch nach Weiterbildungsmaßnahmen und der Vertrag ohne Probezeit runden das Ergebnis ab. [3]

Die Corona-Pandemie hat unsere Arbeitswelt verändert. Home-Office ist zu einem festen Bestandteil geworden, weshalb 61% gerne mehr über die Home-Office-Konzepte in den Stellenanzeigen oder auf den Karrierewebseiten lesen möchten. Auch gaben 54 Prozent der Befragten an, bei der Jobsuche stark darauf zu achten, ob Arbeitgeber generell Arbeit im Homeoffice anbieten.[4]  Dieses Ergebnis deckt sich auch mit einer aktuellen Langzeitstudie der Universität Konstanz bei der bundesweit 699 repräsentativ ausgewählte Erwerbstätige seit Beginn der Ausbreitung der Corona-Pandemie im Zeitraum von März bis Oktober 2020 zum Thema Homeoffice befragt wurden.  Etwa 26 Prozent der Beschäftigten möchten künftig zwei Arbeitstage pro Woche von zu Hause aus arbeiten. Etwa 20 Prozent der Beschäftigten präferieren sogar fünf Tage Arbeit pro Woche im Homeoffice. Auf das Arbeiten im Büro wollen die Meisten aber dennoch nicht komplett verzichten: An der Präsenzarbeit schätzen Beschäftigte besonders den persönlichen Austausch mit Kollegen und halten ihn zentral für kreatives Arbeiten.[5] Im weltweiten Vergleich sind die Zahlen sogar noch drastischer. In einer weltweiten Studie der Website „Perceptyx“, bei der 750.000 Arbeitnehmer aus 100 branchenübergreifenden Unternehmen befragt wurden, wollen lediglich vier Prozent der Befragten nach der Corona-Pandemie wieder ins Büro zurückkehren. [6]

Die Zahlen zeigen, dass der Arbeitsmarkt trotz der Krise nicht stillsteht. Es gibt deutlich sichtbare Bewegungen auf dem Arbeitsmarkt, aber auch Bewegungen im Verborgenen. Die Karten auf dem Arbeitsmarkt werden momentan neu gemischt und es gibt beiden, sowohl den Arbeitnehmern wie auch den Unternehmen die Chance sich auf dem Markt neu zu positionieren. Aber das Wichtigste ist, dass wir alle gesund durch die Krise kommen.

 

[1] https://www.hrjournal.de/arbeitnehmer-wechselwunsch-trotz-der-krise/

[2] Vgl. https://www.schmidtundschmidt.eu/jobwechsel-in-zeiten-von-corona-geht-das-ueberhaupt-und-macht-das-sinn/

[3] Vgl. https://www.sales-perfect.de/post/jobwechsel-was-jetzt-wichtig-ist-f%C3%BCr-kandidaten

[4] Vgl. https://www.stellenanzeigen.de/aktuelle-studie-optimistisch-ins-arbeitsjahr-2021-sde87543/

[5] Vgl. https://www.tagesschau.de/  wirtschaft/homeoffice-studie-105.html

[6] Vgl. https://www.merkur.de/leben/karriere/home-office-corona-weltweite-studie-buero-job-arbeitnehmer-weltweit-zr-90011067.html